Lactobazillen – eine große und gesunde Familie
Erst kürzlich wurde der Lactobacillus zur Mikrobe des Jahres 2018 gekürt (..der Ratgeber Reizdarm hat darüber berichtet). Wer gelegentlich probiotische Produkte zu sich nimmt und deren Zusammensetzung studiert, stößt dabei fast immer auf Milchsäurebakterien – so die deutsche Bezeichnung für die Lactobzillen. Dabei wird klar: Hinter dem „Familiennamen“ Lactobazillus steht eine große Verwandtschaft. Vom Lactobazillus acidophilus bis zum Lactobazillus salivarius umfasst die Gattung der Milchsäurebakterien insgesamt mehr als 200 Arten, und noch immer entdeckt die Wissenschaft neue Varianten. Gerade für Reizdarmpatienten sind Lactobazillen meist gute Bekannte. Dank ihrer probiotischen Eigenschaften haben sie einen positiven Einfluss auf unsere Darmgesundheit. Entsprechend sind Lactobazillen Bestandteil fast aller Probiotika, die für Reizdarmpatienten zu den wichtigsten Präparaten zur Stabilisierung der Darmflora und der Darmgesundheit gehören. Im Folgenden eine Übersicht über jene Lactobazillus-Arten, die in Probiotika besonders häufig Verwendung finden (..ohne Anspruch auf Vollständigkeit).
Lactobacillus acidophilus
Die Gruppe der Acidophilus-Bakterien ist mit rund 200 verschiedenen Stämmen besonders groß und für die Gesundheit wichtig. Acidophilus
Bakterien sind ein natürlicher Bestandteil der
Darmflora des Menschen und tragen insbesondere zur Unterstützung einer gut funktionierenden Verdauung bei. Sie können bei den verschiedensten Beschwerden helfen, etwa bei Magengeschwüre, Verstopfung, Diarrhoe oder Blähungen. Acidophilus unterstützt außerdem unser Immunsystem. Er kann u. a. Immunzellen anregen und diverse schädliche Hefen (Candida albicans) und
Bakterien wie Escherichia coli, Helicobacter pylori und Salmonellen hemmen. Möglicherweise kann diese Bakteriengruppe auch dazu beitragen, bestimmte krebsfördernde Substanzen zu "entschärfen".
Lactobacillus bulgaricus
Der Name Lactobacillus bulgaricus geht auf die Entdeckung des Bakteriums vor über 100 Jahren in bulgarischem Joghurt zurück. In der Naturheilkunde werden die stäbchenförmigen
Bakterien zur Normalisierung der
Darmflora nach Antibiotikakuren oder Bestrahlungen eingesetzt. Außerdem werden sie zur Herstellung von Sauermilchprodukten, insbesondere von Joghurt und Kefir verwendet. L. bulgaricus Keime sind vor allem in Kefirkörnern enthalten, die aus ausgeflocktem Eiweiß und zahlreichen säuernden, vergärenden und geschmacksbildenden Mikroben bestehen. Inwiefern er zur Gesundheit von Menschen beiträgt, die ihn regelmäßig im Joghurt zu sich nimmt, ist – wie bei vielen
Probiotika – noch nicht abschließend geklärt.
Lactobacillus casei
Lactobacillus casei gehört zu den
Bakterien, die üblicherweise Bestandteil der gesunden
Darmflora von Säugetieren sind. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass der Verzehr von Milchprodukten, die mit
L. casei fermentiert wurden, zu einem Schutz vor Infektionen mit Salmonellen und Durchfallerkrankungen führen kann.
L. casei hilft u. a. bei der Verdauung von Eiweiß. Er kann Proteine im Darm in deren Bausteine, die Aminosäuren, zerlegen, die dann leicht aufgenommen und verwertet werden.
L. casei ist gegenüber Magen- und Gallensäuren resistent und übersteht daher den Transit durch den Magen meist unbeschadet, wenn er zusammen mit anderen Nahrungsmitteln oder in probiotischen Präparaten aufgenommen wird. Bei der Käseherstellung spielt
L. casei in der Herstellung von Hart- und Schnittkäse eine große Rolle. Er ist z. B. im italienischen Provolone und Parmesan sowie im spanischen Manchego enthalten. Darüber hinaus kommt er in vielen Joghurt- und Kefir-Produkten vor.
Lactobacillus helveticus
Lactobacillus helveticus ist ein Milchsäurebakterium, das in vielen hochwertigen probiotischen Produkten enthalten ist. Dabei geht das mögliche Wirkungsspektrum von L. Helveticus weit über die Verdauung hinaus: Im Darm soll es u. a. vor gefährlichen Erregern wie z. B. EHEC schützen, kann aber zudem bei Infektionen mit Candida- und Scheidenpilzen sowie Blasenentzündungen helfen und sorgt nebenbei für eine erhöhte Knochendichte. Im Bereich der Herstellung von Lebensmitteln ist L. helveticus Hauptbestandteil von Starterkulturen zur Herstellung verschiedener Käsesorten, u. a. bei Grana Padano, Parmesan und Mozzarella. In der Mikroflora zur Herstellung von Kefir ist L. helveticus die dominierende Milchsäurebakterienart. Kleinere Studien haben Hinweise darauf gebracht, dass fermentierte Milchgetränke mit L. helveticus eine moderat blutdrucksenkende Wirkung haben könnten.
Lactobacillus plantarum
Lactobacillus plantarum gehört zu den Lactobazillen, auf die die Medizin große Hoffnungen setzt – wobei auch bei ihm für viele zugeschriebenen Wirkungen die letzten Beweise fehlen. Auch er ist ein üblicher Bestandteil der Besiedlung des Magen-Darm-Traktes gesunder Menschen. Plantarum-Bazillen verdrängen Krankheitserreger, indem sie deren Anheftungsstellen an der Darmwand besetzen. Sie tragen zu einer gesunden
Darmflora bei, indem sie die Bildung von Schleimstoffen unterstützen, die wiederum vor Krankheitserregern schützen. Gleichzeitig verdrängen sie
Bakterien, die im Darm für übermäßige Gasbildung verantwortlich sind. Lactobacillus plantarum kommt in vielen Lebensmitteln natürlich vor, wird aber auch in probiotischen Lebensmitteln (z. B. in probiotischen Fruchtdrinks) und als Probiotikum in Kapseln eingesetzt. In kleineren Studien wurde gezeigt, dass Lactobacillus plantarum bei Patienten mit Reizdarmsyndrom Bauchschmerzen lindern kann. Zudem verfügt das Bakterium über antioxidative Wirkung und kann freie Sauerstoffradikale unschädlich machen. Auf Grund dieser Eigenschaft könnte Lactobacillus plantarum zum Schutz vor der Entstehung von Darmkrebs beitragen.
Lactobacillus rhamnosus
Ähnlich wie
L. acidophilus hat auch Lactobacillus rhamnosus sehr viele Funktionen im Körper. Er gehört zu den wichtigsten Gruppen der Lactobacillen. Für das Verdauungssystem ist er wichtig, weil er helfen kann, Durchfälle zu lindern und generell die "intestinale Permeabilität" (Durchlässigkeit der Darmwände) zu verringern. Auch L. rhamnosus heftet sich an die Zellen der Darmwände, ohne die Darmwände zu beschädigen. Darauf wird ein Großteil seiner nützlichen Funktionen im Verdauungssystem zurückgeführt. Rhamnosis soll darüber hinaus die Symptome von Allergien lindern, verschiedene
Bakterien und Viren bekämpfen und die schädlichen Nebenwirkungen von Antibiotika vermindern.
Dr. Friedhelm Mühleib
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